Jan 252015

Schulchronik Hohefeld von Lehrer Böckmann

 

Die Schulchronik von Lehrer Böckmann

Anfang des Jahres fand ich bei der Durchsicht alter Unterlagen meiner Mutter,
die selbst lange Jahre als Hauptlehrerin an der Schule in Hohefeld tätig war, die sechzehn Seiten umfassende, in (deutscher) Sütterlinschrift verfasste Schulchronik von Haupt-
schullehrer Josef Böckmann.
Josef Böckmann wurde am 24.01.1899 in Ehrendorf, Gemeinde Lohne geboren.
Er besuchte von 1913 bis 1917 das Lehrerseminar in Vechta.
Die Prüfung bestand er nach Ende des ersten Weltkrieges im Jahre 1919.
Im Jahre 1924 übernahm er die Hauptlehrerstelle in Hohefeld.
Zuvor war er als Lehrer in Benstrup, Ellerbrock und Bakum tätig gewesen.
Böckmann starb am 16. Juli 1935 bei einem Motorradunfall.
Die Chronik endet mitten im Satz und wird in dem gleichen Heft von Lehrer Lammers weitergeführt.
Der Text wurde wortwörtlich in Rechtschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Abkürzungen Punkt- und Kommasetzung usw. übernommen.

Theo Rohjans
Die Schulchronik der Schule in Hohefeld
aufgestellt von  Lehrer Böckmann
im Mai 1932
Die Schule in Hohefeld

Die Überlastung der zweiklassigen Schule in Altenoythe und weite Schulwege der Kinder von Pirgo und Wolfstange (bis zu 1 Stunde) mögen die Veranlassung zum Bau der heutigen einklassigen Schule gewesen sein. Die Bauerschaft Hohefeld kam als Bauort in Frage, weil er der Mittelpunkt von dem neu gegründeten Schulbezirk war. Zur Schulacht gehörten Hohefeld, Wolfstange, Pirgo, Cavens und ein Teil von Kämpe. Der Wasserlauf von der Cavens bei Voßberg vorbei über die Straße nach Cloppenburg weiter ins Altenoyther-Feld bildeten die Grenze.
Am 7. Mai 1911 wurde der Betrieb in der heutigen Schule eröffnet, nachdem man den Bau des Klassenzimmers und der Dienstwohnung im Sommer 1910 zum größten Teil beendet hatte. Die Kinderzahl betrug gleich am 1. Tage 60.
Herr Moisset, bis dahin Lehrer an der Unterklasse in Altenoythe wurde zum Hauptlehrer der Schule in Hohefeld ernannt. Er war hier mit einigen Unterbrechungen während der Kriegszeit tätig bis zum Herbst 1924. Vertreter in der Kriegszeit waren Herr Lehrer Kallage, jetzt Steinfeld, Fräulein Hilferich, Oldenburg und Fräulein Ostendorf, jetzt Frau Rohe, Angelbeck. Während einer Krankheit des Hauptlehrers verwaltete Kollege Nienaber, jetzt Delmenhorst, die Stelle.
Außerdem hatte Hauptlehrer Brörmann Altenoythe, jetzt AD in Lohne in den Kriegsjahren für längere Zeit den Unterricht mit übernommen.
Leider war beim Bau der Schule ein großer Fehler unterlaufen. Entweder hätte die Schule als einklassige Schule zwischen Pirgo und Wolfstange errichtet werden müssen mit der Schulacht Pirgo und Wolfstange oder an der jetzigen Stelle gleich als zweiklassige. Die Kinderzahl stieg gleich in den ersten Jahren bis zu 100. Zur Entlastung der Schule wurden die Kinder aus den Kämpen nach Altenoythe umgeschult und in Altenoythe die 3. Klasse eingerichtet. Aber das brachte für die hiesige Schule keine fühlbare Entlastung. Die Kinderzahl hielt sich immer noch zwischen 80 und 90. Nach vieler Mühe wurde dann endlich der Bau einer zweiten Klasse beschlossen. Das ganze Material wurde unentgeltlich von der Schulacht angefahren. Soeben sollte der Bau beginnen, da traf der Schule ein harter Schlag: Beamtenabbau und damit Stellenabbau. Das Katholische Oberschulkollegium erließ sofort eine Verfügung, daß der Bau einzustellen sei. Die schulfreundliche Gemeinde hatte in wenigen Tagen den Bauplatz rein.
Das Material war verkauft, es gab ja Millionen im Jahre 1923. Die Kinder von Cavens wurden auch nach Altenoythe umgeschult, noch blieben 67 Kinder in Hohefeld. Zu spät kam die Einsicht beim Oberschulkollegium. Zwar wurde die Verfügung zur Einstellung des Baus zurückgenommen, aber die Gemeinde war nicht wieder zu bewegen.
Im Herbst 1924 wurde Hauptlehrer Mosisset zum Hauptlehrer der Schule in Friesoythe ernannt. Sein Nachfolger wurde Hauptlehrer Böckmann.
Bei meinem Antritt fand ich eine überfüllte Klasse, 67 Kinder, die Zahl stieg dazu von Jahr zu Jahr, eine leere Kalkgrube und Steinbrocken von dem vor Jahresfrist angefahrenen Steinmaterial. Dazu gab Herr Rehling vom Oberschulkollegium mir den ehrenwerten Auftrag: Bauen Sie bald die zweite Klasse! Die Kinderzahl war bald auf 70 gestiegen. Alles war für die Einrichtung der zweiten Klasse, nur nicht der Pastor, der Gemeindevorsteher und der Gemeinderat. Wie nun? Mit dem Pastor und dem Gemeindevorsteher musste man sich schon abfinden, aber der Gemeinderat musste ein anderes Gesicht haben. Die nächste neue Gemeinderatswahl sollte es bringen. Zwar war es nicht leicht, doch es glückte. Von 9 zu wählen Mitgliedern hatte die Schulacht Hohefeld allein 6. Damit war der Bau der Klasse gesichert. Einstimmig konnte so gar beschlossen werden, das war im Januar 1931. Die Zeichnung war bereits im Juli 1930 eingereicht. Jetzt wurden Steine gekauft. Und wieder erlebten wir das seltsame Schauspiel. In 14 Tagen schafften die Schulacht zum zweiten Male unentgeltlich 40 000 an Ort und Stelle. Kies wurde nun ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Kalk wurde auch von der Schulacht herbeigeschafft und gelöscht. Der größte Gegner der Schule war jetzt Herr Amtshauptmann Theilen, Friesoythe.
Sparen war seine Parole. Nach seiner Ansicht genügten die von der Regierung bewilligten 30% nicht zum bauen. Eine neue Eingabe ging zur Regierung. Und endlich, 50 % wurden bewilligt, der Bau wurde ausgeschrieben. Eben sollte er vergeben werden, da schlug 1932 das System Brüning alles wieder entzwei. So war alle Hoffnung wieder umsonst. Zwar war Ostern 1931 die zweite Lehrkraft erschienen, aber ihr Unterrichtsraum fehlte. Mit verkürztem Unterricht, die Oberklasse vormittags, die Unterklasse nachmittags musste gearbeitet werden. Von Ostern 1931 bis zum Herbst desselben Jahres unterrichtete an der Unterklasse Fräulein Hackmann, jetzt Bösel, dann wurde Lehrer Löwe Nachfolger bis zum
(Hier brachen mitten im Satz die Aufzeichnungen des Hauptlehrers Böckmann ab. Der Tod riß letzteren plötzlich mitten aus seiner Arbeit. Fortsetzung durch G. Lammers.)
Herbst des Jahrs 1933. Herr Löwe wohnte in Friesoythe und fuhr nachmittags zum Unterrichte mit dem Rade nach hier.
Im Herbst des Jahres 1933 wurde Lehrer Löwe von hier nach Garrel versetzt, wo er bald darauf heiratete. Von Einswarden nach Hohefeld versetzt, wurde ich Löwes Nachfolger.
Der neue Gemeindevorsteher Liborius Schmidt aus Bösel und der Gemeinderat gingen gemeinsam ans Werk. Mein Hauptlehrer aber war der Mann, der mit nimmer ermüdender Kraft die Sache immer wieder vorwärts trieb. Im Herbst 1934 wurde endlich der Bau vergeben. Die Maurerarbeiten erhielt Wilf. Macke, Friesoythe, der auch an der Musterschule in Neu-Arenburg mitgearbeitet hatte. Die Zimmerarbeit führte Brinkmann, Bösel, die Dachdeckerei Kühen, Friesoythe. Die Tischlerarbeiten führte Aug. Cloppenburg, Altenoythe aus, die Klempnerarbeiten Runde, Bösel und die Malerei Pankratz, Friesoythe. Gleich am nächsten Morgen nach der Vergebung der Arbeiten waren die Maurer hier, schlugen den steinernen Giebel ein und mauerten das Fundament. Nun musste notgedrungen die Arbeit weiter, da sonst Regen und Schnee beim alten Schulgebäude zu großem Schaden angerichtet hätten.
Der Bauplatz war bereits vor 3 Jahren zurechtgemacht worden, und seit der Zeit standen auch die Steine hier und saß der Kalk in der Grube. Bei der feierlichen Grundsteinlegung wurde eine von Hauptl. Böckmann verfasste Urkunde am Eingang zur Nebenlehrerwohnung ins Mauerwerk versenkt. Die Urkunde schildert die aus derselben Feder in dieses Buch eingetragene Geschichte der Schule. In 14 Tagen war das Mauerwerk hoch. Als der Rohbau fertig war, kam Herr Staatsminister Pauly im Beisein der Herren Oberbaurat Westschläger, Amtshauptmann Münzebrock, Schulrat Dr. Kohnen, Kreisleiter Meyer, Gemeindevorsteher Schmidt und Fraktionsführer Mecking zur Besichtigung nach hier. Der Herr Minister war im allgemeinen mit der Bauausführung einverstanden, rügte nur einige Kleinigkeiten am Mauerwerk. Von hier aus fuhren die Herren weiter zur Schuleinweihung in Thüle.
Auf eigene Verantwortung ließen wir vom langen Schulflur das Lehrmittelzimmer abtrennen und dort wie auch im neuen Klassenzimmer einen Wandschrank versehen.
So mussten wir wohl oder übel zu zwei neuen Schränken kommen, die wir sonst höchstwahrscheinlich nicht bekommen hätten.
Schulrat Dr. Kohnen hatte im Januar 1934 alle kathol. Kollegen des alten Amtes Friesoythe zu einer Besichtigung der Neu-Arenburger Schule eingeladen. Dort kam man zu der Erkenntnis, dass in eine moderne Schule nicht mehr Bänke sondern Tische und Stühle gehören. So wurden auch für Hohefeld Tische und Stühle vorgesehen. Die Tische lieferte die Firma Kamp, Bochum, Stühle der Drechsler Pankratz, Friesoythe. Ostern 1935 wurde die neue Klasse bezogen. Die Kinder der Bauernschaften Cavens und Kämpe wurden nach Hohefeld überwiesen.
Sehr entgegenkommend war der nunmehr Bürgermeister gewordene Gemeindevorsteher Schmidt bei der Einrichtung der Wohnung für den zweiten Lehrer. Die Möbel lieferte Peter Wegmann, Altenoythe. Eine derartig gute Junggesellenwohnung wie hier ist augenblicklich hier in der ganzen Umgebung nicht zu finden. Als Mitte Mai 1935 die Möbel eintrafen, waren zufällig vier jungen Kollegen aus der Nachbarschaft bei mir zu Besuch, dass dieselben tatkräfig mit anfassen und wir die neue Bude feierlich und gründlich auf ihre „ Brauchbarkeit“ untersuchten ist wohl selbstverständlich. Die Miete wurde auf 12 RM pro Monat festgesetzt.
Es kamen die Sommerferien. Ich zog mit dem Jungvolk ins Zeltlager nach Visbek. Am Dienstag, dem 16. Juli um 15 Uhr wurde ich plötzlich recht stürmisch ans Telefon gerufen. Fast wäre ich zusammengesunken, als mir mitgeteilt wurde: Vor einer Stunde ist der Hauptlehrer Josef Böckmann in Friesoythe tödlich mit dem Motorrade gestürzt. Sofort fuhr ein Kamerad mich mit dem Auto des Jungbannführers zur Unglücksstätte bei der Amtsrichterwohnung in Friesoythe.
Schreckliche Blutspuren waren zu sehen. Mit der rechten Fußroste und dem Lenker hatte Hauptl. Böckmann in voller Fahrt einen Mast der elektr. Leitung gerammt und war nach Aussage des einzigen Augenzeugen (Gärtner Wreesmann) sich mehrmals überschlagend über zehn Meter weit hingeschleudert. Dr. Heiß und Vikar Hörstmann waren in einigen Mitnuten zur Stelle. Als die letzten Pulsschläge zuckten, konnte ihm der Geistliche in höchster Eile noch die hl. Ölung spenden. Kalt und bleich lag die Leiche des teuren Toten im Leichenhause, als ich nachmittags nun etwa 7 Uhr ihn wiedersah. An zwei Stellen klaffte eine entsetzliche Wunde im Schädel. Langsam sickerte noch das Blut aus dem Munde. Es ist nicht zu beschreiben, wie entsetzlich dieser Schlag auf alle, die Böckmann gekannt, besonders aber auf seine arme Frau gewirkt hat. Herzzerreißende Bilder des Jammers habe ich in diesen Tagen gesehen.
Am Mittwochabend wurde die Leiche im Leichenhause aufgebahrt, und am folgenden Morgen ging ich nach der hl. Messe mit den Kindern unserer Schule zur Leiche unseres lieben Lehrers und Freundes. Ich glaube, es war kein Auge trocken, als wir ihm zum letzten Male ins Antlitz schauten. Still und tief erschüttert gingen wir wieder nach Hause, nun ergreifend wahr des Heilandes Wort verstehend: “Seid bereit, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde!“

Hier enden die Aufzeichnungen der Lehrer Böckmann und Lammers.

Übertragen von

Theo Rohjans